In den Zelten ist es am Tag heiß, die Luft extrem stickig. Nächtens schwitzt nur, wer neben der Heizkanone schläft – und doch sind alle Bewohner froh, der Kriegshölle entkommen zu sein.

Alexander Schwarzl
Alexander Schwarzl

Linz – Es ist ein kleiner Zeitungsausschnitt, der Alhammada Moghdan auf seiner langen Flucht aus seiner Heimat Syrien stets begleitet hat. Der Krieg hat dem 34-Jährigen viel genommen – Verwandte, Freunde, die Heimat. Doch dieses vergilbte und zerknitterte Stück Papier ist ihm geblieben. Die Überschrift zu einem, kaum noch lesbaren, Artikel hat der junge Flüchtling rot markiert – "Vienna, Austria, is the most livable city on earth". Es ist das geplante Ziel nach einer unglaublichen Odyssee – das papierene Navi zum Neustart in ein besseres Leben.

Zu wenig für den Spind

Doch noch ist Alhammada Moghdan nicht angekommen. Er sitzt auf einem grünen Feldbett in einem der großen weißen Zelte auf dem Gelände des Linzer Polizeisportplatzes. Zwölf Zelte für maximal je acht Personen umfasst die vom Innenministerium in der vergangenen Woche eilig für Flüchtlinge errichtete Zeltstadt in Linz. 53 Menschen leben derzeit hier. Dazu kommen noch 38 Flüchtlinge, die im Turnsaal des Blaulicht-Sportclubs untergebracht sind.

Die Notquartiere sind nur mit Männern belegt, Frauen und Kinder wohnen derzeit noch keine auf dem Gelände unmittelbar hinter der Polizeidirektion. Die meisten Betroffenen sind Syrer und Iraker, einige wenige kommen auch aus Afghanistan oder Nordafrika. Alle sind sie aus der Erstaufnahmestelle Traiskirchen gekommen. In den Zelten findet sich das Notwendigste: Feldbetten, Decken, Holzbänke. Ein versperrbarer Spind neben jedem Schlafplatz – doch viel Besitz haben die meisten ohnehin nicht. "Ein wenig Wechselgewand, ein Handy – mehr ist uns meist nicht geblieben", erzählt Anwari Diaa während er vor seinem Zelt seine Wäsche in die Frühlingssonne hängt.

Plastik-Geruch

Im Inneren der "Notlösung" am Rasen offenbaren sich dann rasch die Schattenseiten des Frühsommers. Das Raumklima im Zelt ist fast unerträglich – die Sonne heizt die Plastikbehausungen ordentlich auf, der Gestank der Polyester-Planen beißt sich in der Nase fest. Anwari Diaa will dennoch nicht klagen: "No paradise, but better than hell."

Betreut werden die 91 Flüchtlinge in Linz rund um die Uhr. In der Zeltstadt sind stets mehrere Mitarbeiter der "ORS Service AG" vor Ort. Reden darf von den Flüchtlingsbetreuern aber keiner mit Journalisten. Das Wort gehört in der Linzer Zeltstadt einzig und alleine Polizei-Sprecher David Furtner. Der sieht in der Camping-Lösung des Innenministeriums nicht unbedingt eine Ideal-Variante: "Also, klass' is' das nicht. Eben eine absolute Notlösung."

Wichtig ist Furtner klarzustellen, dass die Flüchtlinge "nicht eingesperrt sind, nur weil sie auf einem Polizeigelände untergebracht sind". Jeder könne sich "frei durch Linz bewegen". Einzig beim morgendlichen Zählappell und nach 22 Uhr müssen die Flüchtlinge anwesend sein.

Inzwischen zieht eine mit einer grellgelben Warnweste bekleidete Dame von Zelt zu Zelt und läutet mit einem knappen "Gentlemen, lunchtime" den gemeinsamen Aufbruch in die Polizeikantine ein. In Zweierreihen müssen sich die Flüchtlinge aufstellen, dann wird geschlossen zur Großküche marschiert. Parallel zur Ausgabe der Mittagessen erfolgt auch die Vergabe der Lunch-Pakete für den Abend.

Selbst ist der Putzmann

Mit den fixen Essenszeiten versuche man "eine Art Tagesstruktur zu schaffen", erläutert Polizeisprecher Furtner auf dem Weg zum Sanitärbereich der temporären Zeltstadt. Der Nassbereich bietet ausreichend Platz und ist vor allem sauber: "Die Bewohner helfen selber mit und putzen."

Alhammada Moghdan hat aber lieber sein Feldbett vor das Zelt gestellt. Nachdenklich blickt der Mann mit dem drahtigen Körper auf den grünen Fußballrasen. Und lächelt – "Waren sie schon einmal in die Wiener Oper?" (Markus Rohrhofer, 18.05.2015)